Als Filmfreak sind die Oscar-Verleihungen immer spannend zu verfolgen. Ich bin allerdings nicht so fanatisch und bleibe die Nacht lang auf um alles live zu verfolgen, aber ich informiere mich vorher, wer in welcher Kategorie nominiert ist und welches meine Favoriten wären. In diesem Jahr war der Film Whiplash in fünf Kategorien nominiert und hat schlussendlich drei davon gewonnen (Bester Nebendarsteller, bester Schnitt, bester Ton). Whiplash war ein Film dem ich sehr kritisch gegenüberstand. Einerseits mag ich die beiden Hauptdarsteller (J.K. Simmons und Miles Teller), aber andererseits hat mich die Story nicht wirklich beeindruckt. Zumindest was ich aus dem Trailer beurteilen konnte.
Die Story ist kurz erklärt: Ein Schlagzeug-Student (Miles Teller) kommt in die Auswahl für die Studioband von J.K. Simmons. Dieser erniedrigt die Studenten immer weiter, damit diese Höchstleistungen erbringen.
Der Film wurde erst als Kurzfilm gedreht, damit das Geld für einen langen Spielfilm gefunden werden kann. Darin sieht man schon ein bisschen, auf was es im Film herausläuft (Film zu unterst im Text).
Eher aus Langeweile habe ich den Film dann doch geschaut und ich war von Anfang an gefesselt. Die Leistung die J.K. Simmons als gemeiner und böser Bandleader ist faszinierend. Er hat auf der Leinwand eine Präsenz, die ich selten so erlebt habe. Es ist wirklich fesselnd, diesem Menschen zuzuschauen und es entsteht eine unglaubliche Spannung in den Szenen. Ich war fasziniert. Ich war begeistert.
Am nächsten Tag habe ich noch viel über den Film nachgedacht. Es gibt eine Szene, in welcher der Bandleader eine bestimmte Taktgeschwindigkeit gespielt haben möchte und das wird im Film als fast unmöglich dargestellt. In einer anderen Szene spielt sich der Schlagzeuger wörtlich die Hände blutig um diese Geschwindigkeit zu erreichen. Hmm, komisch…
Zum Glück bin ich mit einem der besten Schlagzeuger (und Musiker?) der Schweiz befreundet – Lukas Gasser. Ich habe mich dann bei ihm gemeldet um rauszufinden, ob das alles wirklich so unmöglich ist. Ich hatte bei ihm nie das Gefühl, dass er seine Musik unter brutalem Druck machte und auch blutige Hände waren mir fremd.
Mein Gefühl war richtig. Lukas meint, “die ganze Darstellung ist meilenweit von der Realität entfernt”. Sowohl die erniedrigende Art, als auch der Druck der vom Bandleader ausgeübt wird, ist unrealistisch. Auch blutige Hände sind nicht nötig: “Das Tempo ist mit der richtigen Technik ohne blutige Hände gut spielbar, das wird völlig überdramatisiert“. Der Fokus im Film liegt nur beim Schlagzeuger, die restliche Band wird gar nicht oder nur ganz kurz gezeigt. Auch das ist ein falsches Bild. “In der Musik geht es in erster Linie um Teamplay und Kreativität und nicht um egomanisches Wettspielen im stillen Kämmerlein”. Wo der Film aber nichts falsches vorspielt ist bei den gewählten Jazz-Stücken. “Die Stücke sind sicherlich sehr anspruchsvoll, aber im Film geht es nur um das Tempo und die technische Fähigkeit…”
Auch in diesem Film ist wieder einmal Hollywood am Werk. Betrachtet man den Film objektiv, ist das ganze sehr unterhaltsames und empfehlenswertes Popcorn-Kino. Mit der Realität hat das ganze aber gar nichts zu tun. Ich bleibe bei meiner Meinung. Ein grossartiger Film, der nicht für Musiker gedacht ist!
Der Kurzfilm aus dem Jahre 2013
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